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Beitrag vom 22.10.2010
Ergebnisse der Stiftung Warentest zu den kuscheligen Schadstoffbomben für Kinder vom 21. Oktober 2010 - erschreckend
Antje Pohle
Kuschelweich verstecken sich krebserregende Stoffe und allergisierende Weichmacher in Teddybären und Puppen unserer Kinder und machen sie krank. Stiftung Warentest deckte auf. Die Ausgangspunkte...
... für die neue Testreihe der Stiftung Warentest waren der Rekordumsatz der Spielzeugindustrie aus dem Jahr 2009, etwa 600 Millionen Euro Umsatz für die Produktgruppe der 0-3 Jährigen, die besonderen Anforderungen der Spielwaren für diese Zielgruppe, sowie der "Rapex-Report". In dem EU-Schnellwarnsystem für gefährliche Waren war Spielzeug die am häufigsten gemeldete Produktgruppe im vergangenen Jahr.
Zwei Schwerpunkte standen für die Stiftung Warentest beim Testverfahren im Vordergrund:
"Wie sicher ist das Spielzeug? Und ist es mit Schadstoffen belastet?"
Mit Stoffen wie PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), Weichmacherölen, Phthalaten, zinnorgarnischenVerbindungen sowie Nonylphenol, die man als VerbraucherIn statt in Stoffhäschen und Babypuppen eher in der Auto- und Erdölindustrie vermuten würde, hat die Spielzeugindustrie einen gewaltigen Schatten auf das Vertrauen der KonsumentInnen geworfen. Mütter und Väter werden angesichts der katastrophalen Testergebnisse der Stiftung Warentest erblassen wie das "kleine Schlossgespenst".
Im Test befanden sich 50 unterschiedliche Spielwaren (Babypuppen, Plüschtiere, Holz- und Kunststoffspielzeuge) für Kinder unter drei Jahren von HerstellerInnen und Handelsketten wie Fisher Price, Ravensburger, sigikid, Playmobil, Lego, Toys´R´Us, Ikea, KiK, Karstadt, Nanu-Nana verschiedenster Preiskategorien.
Über 80 Prozent der getesteten Spielwaren sind mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen belastet , zwei Drittel sogar stark bis sehr stark. "Sieben Produkte (Nachziehdrache von Eichhorn, Ziehschlange von Plan Toys, Schiebepferd von Selecta, Babypupe Lissy, Hase von Tedi, Teddy von Nanu Nana, Plüschaffe von sigikid) erfüllen nicht die gesetzlichen Anforderungen, die an Spielzeuge gestellt werden. Sie hätten gar nicht verkauft werden dürfen.", so Hubertus Primus, Bereichsleiter Publikationen Stiftung Warentest.
Nur acht der getesteten Spielwaren können bedenkenlos weiter im Handel verweilen (darunter: Hello-Kitty-Figur und Curly Girly von sigikid). Sie sind die einzig schadstofffreien Kuscheltiere im Test.
Besonders schlecht schnitt das beliebte Holzspielzeug gegenüber den Plastikspielwaren ab. Schädliche Lacke und Formaldehyd sind darin enthalten. Da Kinder dieser Altersgruppe ihr Spielzeug gern in den Mund nehmen, können die hochgiftigen Stoffe des Spielzeugs leicht in ihren Organismus gelangen. Sie reizen Haut und Schleimhäute, wirken allergisierend und können Krebs erzeugen.
Die gesundheitlichen Folgen sind erschreckend alarmierend. "Die Notwendigkeit eines besonderen Schutzes unterstreicht auch die Tatsache, dass in Deutschland die Zahl der Krebsneuerkrankungen bei Kindern in den letzten 20 Jahren um 17 Prozent gestiegen ist, wie die Daten des Kinderkrebsregisters belegen,"so Dr. Holger Brackemann, Bereichsleiter Untersuchungen der Stiftung Warentest
Mit welchen Testverfahren die Schadstoffe entdeckt und welche Unternehmen in den Testverfahren involviert waren, wollte er jedoch im Rahmen der Pressekonferenz am 21.10.2010 in Berlin auf Nachfrage von AVIVA-Berlin nicht verraten.
Das Vertrauen, mit den Gütesiegeln CE,TÜV und GS Sicherheit und Qualität durch gekennzeichnete Produkte "Made in Germany" zu erwerben, ist mit der neuen Testreihe erloschen. Vielmehr handelt es sich hier um reine Marketing-Märchen, die ihre Glaubwürdigkeit bei den KonsumentInnen verlieren wie das Plüschäffchen von sigikid seine Haare beim Entflammbarkeitstest. "Schlimmer noch ist, dass die Untersuchung zeigt, dass auf die Prüfzeichen kein Verlass ist. Der "brennende Affe" von sigikid hatte ein Prüfzeichen des TÜV Süd,(...)" , so Dr. Holger Brackemann weiter.
Eine wirkliche Garantie für KonsumentInnen gibt es momentan in Deutschland nicht. Die Stiftung Warentest appelliert an die Verantwortungspflicht der Bundesregierung: "Die heutigen rechtlichen Anforderungen zur Sicherheit von Spielzeug sind in vielen Punkten nicht ausreichend und werden durch die neuen Spielzeugrichtlinien leider in einigen Punkten sogar noch verschlechtert." Auch die gesetzlichen Verankerungen deutscher Handels- und Produktionsgesetze schwimmen noch unwirksam im europäischen Gesetzeskontext, wie das hochverseuchte "Happy Baby - Bade-Enten Set" in den Wannen ahnungsloser Eltern und unschuldiger Kinder.
Das skrupellose Verhalten der SpielzeugherstellerInnen und Konzerne ist so grenzwertig wie ihre getesteten Spielwaren. Nur zwei der insgesamt zweiundvierzig bemängelten Spielzeuge wurden bis jetzt vom Markt zurückgezogen. Von achtundzwanzig Spielzeugen fehlt gänzlich der Hersteller bzw. das Herkunftsland. Die Hälfte der getesteten Spielwaren stammen aus China, circa ein Drittel aus Deutschland.
Das reine Profitdenken der Spielzeugindustrie macht unsere Kinder bewusst krank.
Der Wolf im Schäfchenfell hat im vergangenen Jahr einen Umsatzanstieg von fünf Prozent auf 2,3 Milliarden Euro verbuchen können und Weihnachten 2010 steht vor der Tür. Hubertus Primus informiert: "Einen solchen Umsatzanstieg hat es nach dem Verband der Deutschen Spielwarenindustrie bisher in der Branche noch nicht gegeben."
Trotz der Fülle an Waren, die uns die Spielzeugindustrie für Kinder bereit hält, ist ihr niedlicher Anblick oft nur Hülle für gefährlichen Inhalt, der oftmals unter erbärmlichen Zuständen gefertigt wurde, wie etwa das Angebot von Walt Disney.
"Manche Spielwaren werden von den Arbeitern hergestellt, die selbst noch Kinder sind – in den Billigländern Asiens." Beispiele dafür finden Sie in der AVIVA-Berlin-Rezension "Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machenschaften der Weltkonzerne" von Klaus Werner/Hans Weiss.
Eine Alternative für Eltern wäre, selbst zu Strick- und Bastelzeug zu greifen um eine ganz eigene, gesunde Stofftiervariante zu kreieren oder sich bei Stofftieren und Puppen auf das Ökotext-Siegel zu konzentrieren, auch wenn die Auswahl kleiner ist. Bei jedem Spielzeugkauf sollten folgende Fragen im Vordergrund stehen: Ist es ein altersgerechtes Spielzeug? Existieren scharfe Kanten? Lösen sich Kleinteile wie Augen oder Ohren? Ist der Lack abkratzbar? Riecht das Produkt auffällig? Sollten Sie eine dieser Fragen mit Ja beantworten können, lassen Sie das Spielzeug lieber im Regal. Bewusstes Kaufverhalten hat nicht nur eine Vorbildfunktion für unsere Kinder, sondern könnte das eigentliche Potenzial von KonsumentInnen gegenüber den Spielzeugkonzernen verstärken.
Fazit: Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung auf die erschreckenden Testergebnisse der Stiftung Warentest reagiert und höhere Qualitätsauflagen von SpielzeugproduzentInnen fordert, sowie schärfere Gesetze bei Nichteinhaltung verabschiedet.
Weitere Informationen finden Sie unter:
Der ausführliche Test "Spielzeug" ist in der November 2010 Ausgabe der Zeitschrift test veröffentlicht und online für 1,50 Euro unter www.test.de nachzulesen.
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
"Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machenschaften der Weltkonzerne" von Klaus Werner/Hans Weiss
"Terre des Femmes Vortragsreise - Gäste aus Bangladesh klagen deutsche Discounter an"
"Uhu frisst Fuchs: Schulbuchtest der Stiftung Warentest fällt ernüchternd aus"
(Quellen: Stiftung Warentest Pressekonferenz "Spielzeug" 21.10.2010, Dr. Holger Brackemann, Bereichsleiter Untersuchungen der Stiftung Warentest, Hubertus Primus, Bereichsleiter Publikationen Stiftung Warentest, AVIVA-Berlin)